Einflüsse – wie es anfing

Computeranimation als Erwerbstätigkeit
Seit 1996 fertige ich Animationen im Kundenauftrag an. Es geht dabei um tauchende Systeme, den Klimawandel, um Flugzeugbau, Zellwachstum oder Roboter, die Pakete aus Containern entladen können. Eine recht spannende und abwechslungsreiche Arbeit. Doch die meisten dieser “technisch-wissenschaftlichen Visualisierungen” entstehen oft unter hohem Zeitdruck und mit einem überschaubaren Budget. Dadurch reifte in mir der Wunsch, einmal einen Animationsfilm zu fertigen, der ohne diesen Druck und ohne diese Beschränkungen entstehen kann. Im Jahre 2001 habe ich eine Fingerübung angefertigt, “2Robots” über den Kampf zweier ganz ungleicher Roboter. Der Film hatte Ton, Action und war gut eine Minute lang. Er hatte auch eine Handlung:

Handlung von 2Robots
Ein kleiner Spionageroboter dringt durch einen Tunnel in eine Art Höhle. Dort wird er von einem riesigen Überwachungsroboter gestellt und beschossen. Dieser schießt versehentlich ein Loch in die Wand, durch das der kleine Roboter verschwinden kann.

Das war schon die ganze Filmidee. Im Nachhinein würde ich sagen: Eine Vorübung. Immerhin konnte ich mir durch diese Minute selbst beweisen, dass ich so einen Film ersinnen und fertigstellen kann. Es hätte ja auch sein können, dass ich bei der Herstellung irgendwo stecken bleibe, weil mir eine Fertigkeit fehlt oder ich die Lust verliere.

Ausschnitt aus der Kampfszene

2Robots, Jens Bendig 2001

Aber wie muss ich vorgehen, wenn die Geschichte etwas komplexer wird? Wenn ich meinen Film auf einem Festival platzieren möchte? Wenn ich höhere Ansprüche an Charaktere und Schauplätze stelle? Muss ich dann gleich Haare und Mimik einführen? Brauche ich dann lippensynchronen Text für die Glaubwürdigkeit des Charakters? Wie viel Zeit muss ich wohl veranschlagen? Kann ich das überhaupt allein schaffen oder braucht man dazu zwingend ein großes Team? Brauche ich dazu viel Geld? Erst mal drauflosmodellieren, die Geschichte wird sich unterwegs schon finden? Vielleicht kann man es so machen. Ich mache es anders und darüber schreibe ich im Folgenden.

Am hilfreichsten für mich war noch die kurze aber gute Dokumentation von Phil “Captain 3D” McNally, der im Jahre 2000 mit seinem Animationsfilm “Pump-Action” weltweites Aufsehen erregte: Dort fand ich Angaben über die Zeitaufwände, über Dinge, an die ich überhaupt nicht gedacht hatte, wie z.B. ein Photo von mir selbst für die Festivals, eine Webdokumentation über den Film, Pressematerial, Unterschiede von Videoformaten auf den Festivals dieser Welt etc. Beim Durchstöbern von Phils Texten ahnte ich schon, dass da einige Tätigkeiten auf mich zukommen würden, die nicht direkt mit Timelines und Keyframes zu tun haben würden. Schließlich sollten Sie sich auch überlegen, dass eine Reisekasse vonnöten sein könnte, sofern Ihr Film von Festivals angenommen wird und Sie bei der Aufführung vor Ort sein möchten!

Im Jahr 2002 hatte ich schließlich die Gelegenheit, Phil “Captain 3D” McNally persönlich kennen zu lernen: Er gab mir in San Francisco ein Interview für unser kleines Animationsmagazin “Liquidbrain“, das wir seit 1998 im Offenen Kanal Bremen produzierten. Phil hat mir viele seiner Überlegungen erläutert, wie z.B. die Entscheidung, auf Mimik bei seinen Figuren zu verzichten. Ich interessiere mich immer für die Frage, welche Wirkung ich aus dem Weglassen beziehen kann!

Vielleicht interessiert das Interview den einen oder anderen, deswegen verlinke ich es hier:
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Es gab einen weiteren Film, der mich beeindruckte, das war “Mantis” von Grzegorz Jonkajtys. Auch hier gab es keine gesprochene Spur, auch hier eine packende Geschichte und ein Kampf zweier Charaktere. In beiden Filmen hat der dunkle Charakter übrigens die Oberhand und der gute Charakter ist schwach und verliert.

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Mit diesen Eindrücken im Hinterkopf, vielen weiteren Filmen, die mich meistens weniger in den Bann schlugen, und ein paar Weglassungen suchte ich nach einem Stoff für meinen eigenen Film. Hier die Weglassungen:

Weglassungen – was wollte ich nicht im Film haben?
Auch ich wollte keine Mimik. Ich wollte aber auch keinen Kampf. Mir ist zwar klar, dass der Kampf viel hergibt an Spannung und es eine große Tradition in der Erzählung von Kämpfen gibt, aber ich wollte es nicht. Ich wollte einen Film haben, der im Gegensatz zu aktionsgeladenen Filmen geradezu schwer, grüblerisch und überfordernd auf das Publikum wirkt. Etwas, worüber der Zuschauer nachdenkt. Einen Film, den er vielleicht erst beim zweiten oder dritten Mal völlig versteht und vorher vielleicht sogar ablehnt. Und mir ging die Idee im Kopf herum, dass jemand eine Niederlage so akzeptiert, dass es eigentlich keine Niederlage ist, sondern eine Weiterentwicklung. Von dieser Suche bis zum Drehbuch von “EINS” ging noch etwas Zeit dahin, denn ich wollte auf keinen Fall einen Stoff anfassen, der mich auf halber Strecke langweilt.

Übung

Sie haben ja schon einige Notizen gemacht. Ich wünsche mir, dass Sie nun eine Liste anfertigen mit Ihren Lieblingsfilmen. Schauen Sie sich Ihre liebsten Filme noch einmal an. Versuchen Sie herauszufinden, warum sie Ihnen so gefallen.

Übung

Besuchen Sie Kurzfilmfestivals! Verschaffen Sie sich einen Eindruck, was man in 3 Minuten alles erzählen kann oder warum ein kurzer Film oft quälend lang wirkt. Oder schauen Sie wenigstens “Kurzschluss” auf ARTE.

Übung

Finden Sie heraus, welche Filmfestivals es gibt, gehen Sie im Internet durch deren Programme und versuchen Sie, den einen oder anderen Film auf Youtube anzusehen. Das ist zwar nicht das gleiche wie ein Festivalbesuch, aber besser als nichts.

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