Idee skizzieren – kurz!

Wunderbar, Sie haben ein Buch von Syd Field gelesen oder wenigstens in seinem Blog geschmökert. Sie haben viele Notizen mit Ideen und Themen gesammelt, Sie haben einen festen Stundenplan: Sie können loslegen. Dieses Kapitel ist Ihre Übung für diese Woche.

Skizzieren Sie Ihre Idee so kurz wie möglich

Warum? Beim Schreiben eines Drehbuches kann man sich schnell in Nebensächlichkeiten verzetteln. Wenn Sie wissen, was der Kern der Sache ist, dann fällt es Ihnen leicht, später Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Wenn sie mit dem Auto fahren, wollen Sie doch auch wissen, wohin Ihre Reise gehen wird, oder?

Wenn Sie auf der Suche nach einem guten Stoff sind, gehen Sie von Zeit zu Zeit Ihre Notizen durch. Filtern Sie Brauchbares heraus. Trennen Sie jetzt erst die Spreu vom Weizen! Nun müssen Sie unterscheiden zwischen einer vagen Notiz und einer richtigen Idee!

Skizzieren Sie Ihre Idee möglichst knapp und klar. Konzentrieren Sie sich dabei auf das Wesentliche. Das ist genau das, was Sie auf keinen Fall weglassen können. Was ist der Kern der Sache? Schreiben Sie Ihre Idee in wenigen Sätzen auf. Sie dürfen auch ein paar Bilder zeichnen. Dieser Teil der Arbeit ist für mich der geheimnisvollste und am schwersten zu erklären. Ich weiß nicht, woher eine gute Idee für einen Film kommt und wie man sie erzeugt. Es gibt aber Gewohnheiten, die Ihnen dabei helfen können:

1. Gehen Sie Ihre Sammlung durch. Wann immer Ihnen etwas einfällt, das Sie für verwendbar halten, notieren Sie es. Wenn es in einigen Wochen immer noch gut ist, dann haben Sie vielleicht etwas, was man weiterverwenden kann.
2. Gehen Sie Ihre Traumnotizen durch. Es kann helfen, wenn Sie ein Traumtagebuch führen. Nicht direkt, weil man Träume kaum verfilmen kann, aber indirekt, weil ein Traum Sie zu einer guten Idee führen kann.
3. Fassen Sie Ihre Lieblingsfilme und -romane zusammen in wenigen Sätzen. Sie erkennen dann besser, worauf es in einer spannenden Erzählung ankommt. Falls Sie das nicht können – üben Sie das, es ist wichtig!

Übung

Machen Sie es sich zur Gewohnheit, Einfälle zu notieren. Ich mache das mit einer kleinen Kladde, die ich fast immer mit mir führe. Andere tippen ihre Idee in ein Handy und mailen sie sich selbst zu. Wie Sie es anstellen, ist egal, aber tun Sie es! Sie haben mehrere gute Einfälle pro Woche, das macht hunderte pro Jahr. Wenn Sie diese nicht notieren, gehen sie verloren. Manche kommen zwar immer mal wieder, aber vielleicht sind das gerade nicht die originellsten?

Woher wissen Sie, wann Sie mit dieser Projektphase fertig sind? Sie müssen folgendes Ziel erreichen, um im nächsten Kapitel weitermachen zu können: Sie müssen Ihren Film in wenigen Sätzen notiert haben. Wenn Sie wollen, können Sie auch ein paar Bilder dazu malen. Lassen Sie alles weg, was Sie nicht unbedingt brauchen. Hat Ihre Filmidee eine Handlung? Gibt es einen, zwei oder drei Hauptcharaktere? Notieren Sie Dialog- oder Sprechertextfragmente ohne Hemmungen sofort.

Beispiele

Hier ein Beispiel, was keine Filmidee ist:
“Ich mache einen Film mit Drachen und Rittern, wo es viel Feuer und Raucheffekte gibt.”
“Mein Film handelt von der Gier der Menschen.”
“Mein Film besteht aus lauter witzigen Szenen, ich habe 20 astreine Witze in der Schublade, die Leute werden sich biegen vor Lachen!”
Das mit den Drachen ist keine Idee, weil es nur die Attribute betont, den Stil der Bilder festlegt, aber keine Handlung hat. Geht es um die Domestizierung der Drachen? Um korrupte Ritter? Oder um eine Freundschaft zwischen Drachen und Rittern? Das Beispiel mit der Gier ist keine Idee für einen Film, weil es viel zu abstrakt ist – es könnte aber eine Ihrer Notizen sein, das ist völlig in Ordnung. Nun müssten Sie daraus aber eine kurze Filmbeschreibung machen, eine Handlung in maximal zehn Sätzen: Ein Held ist gierig, macht deswegen Fehler, bereut diese und ändert sich. (Oder auch nicht.)

Hier ein Beispiel für eine Filmidee:
“Ein Charakter lebt in einer Gesellschaft aus Namenlosen. Es gibt keine besonderen Ausprägungen von Individualität. Er will seine eigene Persönlichkeit aber entwickeln und gibt sich einen Namen. Als er sich individualisiert, wird er isoliert und gibt sein Vorhaben auf: Er legt seinen Namen wieder ab.”

Oder diese:

“Die Spielzeuge eines Kindes leben in einer wohlgeordneten Hierarchie. Der Boss ist Woody, eine Cowboy-Figur aus Stoff. Zu Weihnachten bekommt das Kind ein neues Spielzeug, einen Astronauten: “Buzz Lightyear”. Alle Spielzeuge finden Buzz supercool! Es kommt zum Machtkampf zwischen Woody und Buzz. Doch schließlich werden die beiden Freunde.”
Der erste Absatz beschreibt die Handlung meines Animationsfilms “EINS”, den ich in diesem Buch noch öfter für Beispiele heranziehen werde. Der zweite Absatz ist eine verkürzte Beschreibung des Films “Toy Story”, Pixar 1997. Ein Blockbuster.

Übung

Welche Entwicklung werden die handelnden Charaktere durchmachen? Keine? Auch das kann sehr komisch sein – oder traurig! Ein Charakter muss sich nicht entwickeln, aber Sie sollten darüber nachdenken, ob er das tut.

Noch ein Beispiel: Charaktere, die sich nicht entwickeln
“Zwei Steinzeitmenschen lehnen es ab, mit den Frauen Beeren sammeln zu gehen. Sie wollen Fleisch jagen! Sie stellen ein kleines Tier. Als sie es mit dem Speer erlegen wollen, sehen sie ein viel größeres Tier und verfolgen es. So geht es weiter, bis sie schließlich vor einem Mammut stehen. Sie werfen den Speer, er prallt vom Mammut ab. Schnitt. Mit ausgeschlagenen Zähnen isst man gedemütigt die Beeren, die die Frauen gesammelt haben. Die beiden schauen sich an. Sie grinsen und sagen “Mammut”, sie nicken. Kreisblende. Abspann. Im Nachspann schleichen sie einem T-Rex hinterher.

Transformieren Sie!
Diese Idee habe ich kürzlich notiert, ob ich sie jemals in einem Film umsetzen werde? Mal sehen! Wenn Sie so eine Idee aufgeschrieben haben, überlegen Sie, ob Sie Dinge transformieren können: Kann die Geschichte (die von Komik und Notwendigkeit männlicher Unvernunft handelt) auch heute spielen? Oder mit vertauschten Geschlechterrollen? Was würde dann noch funktionieren und was nicht? Was müsste man ändern? Wird es dadurch “besser” oder “schlechter”? Falls die Geschichte heute spielte, wäre sie in Tokio anders umzusetzen als in Marseille? Verstehen Sie? Eine Geschichte in diesem Stadium kann erstaunlichen Transformationen unterzogen werden.
Nun ist es an Ihnen: Notieren Sie möglichst viele gute Ideen, malen Sie ein paar Skizzen, notieren Sie gern auch Textfragmente, werden Sie aber nicht zu lang. Was nicht auf eine DIN-A4-Seite passt, ist zu lang.

Zum ersten Mal: Entscheiden Sie!
Entscheiden Sie sich in Ruhe für den Film, den Sie machen wollen. Wir sehen uns dann im nächsten Kapitel wieder. Sie können die Kurzbeschreibung und die Skizzen jemandem zeigen und darüber reden, aber Vorsicht: Es passiert leicht, dass eine gute Idee zu früh zerredet wird, vielleicht warten Sie besser damit, bis die erste Fassung des Drehbuchs fertig ist? Entscheiden Sie sich für eine Idee, die Sie notiert haben! Ab jetzt wird viel von Ihnen entschieden. Jede Entscheidung ist ein Schritt zu Ihrem Film. Bleiben die Entscheidungen aus, bekommen Sie keinen Film, jedenfalls keinen guten.

Wenn es klemmt
Wenn es nicht läuft: Es kann sein, dass Sie gar nichts zu Papier bringen. Woran kann das liegen? Haben Sie Lieblingsfilme? Schauen Sie sie an: Warum mögen Sie diese Filme? Was ist der Kern dieser Filme? Es kann auch sein, dass Sie sich nicht kurzfassen können! Entweder können Sie sich nicht entscheiden, was Sie wollen, oder Sie haben schlicht keine Idee und drücken sich vor dieser Erkenntnis, indem Sie mit vielen Details kommen. Gehen Sie auf ein Kurzfilmfestival! Gibt es dort interessante Filme und Anregungen für Sie? Wenn es denn partout nicht klappen will: Wie wäre es mit der Neuverfilmung eines bekannten Stoffes? Oder mit erweiterten Überlegungen zu bekannten Charakteren aus Filmen oder Spielen? Was macht Lara Croft, wenn sie alt ist? Was tut Pac-Man in seiner Freizeit? Was wäre aus King-Kong geworden, wenn er nicht vom Hochhaus geschossen worden wäre? Hätte er die weiße Frau geheiratet? Oder etwas ganz anderes: Die Abenteuer eines Föns, der größenwahnsinnige Träume davon hat, eine Flugzeugturbine zu werden. Doch lieber das Mädchen mit den Zündhölzern? Nun aber Schluss, Sie werden schon eine Idee finden, die zu Ihnen passt. Wenn es so weit ist, wissen Sie es ganz genau. Aber beeilen Sie sich, in der nächsten Woche geht es weiter!

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