Go! Marathon mit Zeiteinteilung

Sie haben sich also entschieden, den Film zu produzieren? Prima. Dann geht es jetzt los mit ein wenig Planung. Sie wissen ja schon, wie lang Ihr Film werden wird, Sie haben das vertonte Animatic. Pro Minute rechnen Sie mal über den Daumen 100 Stunden Produktionszeit. Ihr Film ist 3 Minuten lang? Dann werden Sie ab jetzt etwa 300 Stunden hineinstecken. Wie viele Stunden können Sie pro Woche aufbringen? 20? Dann ist Ihr Film in 15 Wochen fertig! Sie können schon mal eine Festival-Liste machen. In 10 Wochen können Sie Vorabversionen einreichen! Notieren Sie also alle Festivals, die Ihren Film in 15 Wochen entgegennehmen. Oder seien Sie vorsichtiger und geben Sie 20 Wochen. Haben Sie verstanden, wie Sie das schätzen müssen? Seien Sie bei den Stunden, die Sie pro Woche aufbringen können, etwas vorsichtig! Vielleicht schaffen Sie doch weniger? Tun Sie so, als ob Ihr Film doch eine Minute länger wird, als jetzt geplant. Sie haben ein geschätztes Abgabedatum? Wunderbar. Auf diesen Termin arbeiten Sie jetzt hin! Nehmen Sie diesen Termin ernst, auch wenn Sie ihn reißen werden, denn Sie laufen sonst Gefahr, an irgendeiner Bastelei stecken zu bleiben, sagen wir in der dritten Szene. Wie man das vermeidet, werde ich noch erklären.

Termindruck! Also doch Termindruck? Wollten wir den nicht gerade vermeiden? Ist es nicht viel schöner, entspannt, ohne Druck zu arbeiten? Ja, richtig, ist es. Es schadet auch nicht, wenn Sie die Termine mit viel Luft legen. Nur ganz ohne Schätzung besteht die Gefahr, dass Sie sich an einer Szene festbeißen und nie fertig werden. Mit dem Termin vor Augen fällt es Ihnen leichter, eher am gesamten Film zu arbeiten, als sich nur auf ein oder zwei Szenen zu konzentrieren.

Übung

Fertigen Sie eine Art Stundenplan an. Zu diesen Zeiten werden Sie sich an den Film setzen und daran arbeiten. Machen Sie sich eine Arbeitsliste! Falls Ihnen bei der Arbeit etwas Wichtiges einfällt, wird das dort notiert und geht nicht verloren.

Arbeitsliste: Wie arbeitet man mit einer Liste?
Das Arbeiten mit der Liste ist vielleicht die größte Produktionshilfe, die Sie haben. Wenn ich keine Filme mache, dann arbeite ich oft als Software-Entwickler. Software-Projekte sind insofern ähnlich, weil auch hier eine Vielzahl an Tätigkeiten nötig ist, damit am Ende ein komplexes Produkt entsteht, das eine umfangreiche Spezifikation erfüllt. Dabei kann man schnell die Übersicht verlieren und sich verzetteln. Damit das nicht passiert, gibt es die Liste. Die Idee ist einfach: Im Verlauf Ihrer Arbeiten fällt Ihnen irgendetwas ein. Das dürfen Sie nicht vergessen, aber andererseits sollten Sie auch nicht jedes Mal die Tätigkeit unterbrechen, an der Sie gerade sitzen. Sie schreiben also Ihre Tätigkeit auf die Liste. Beenden Sie zunächst, woran Sie gerade arbeiten und schauen dann erst nach, was Sie als Nächstes wohl von der Liste abarbeiten könnten. Die Liste hat mehrere Vorteile: Sie sammeln dort alles Nötige, Sie priorisieren Ihre Tätigkeiten und wissen vorher immer ganz genau, woran Sie gerade arbeiten. Es gibt noch einen tollen Vorteil: Falls Sie mal für eine längere Zeit von dem Projekt abgezogen werden, hilft die Liste Ihnen in wenigen Minuten wieder hinein.


Auszug aus meiner Liste in der Anfangsphase:
20050919 1 h Storyboard scannen
20050920 1 h Text leicht ändern nach storyboard, Storyboad in FCP einladen.
20050923 2 h Text bei Zahn im Keller sprechen lassen, aufnahmen mit Tascam 644
20050924 4 h Text digitalisieren und schneiden
20050926 1 h titel mit motion skizzieren
20050927 2 h Zaehlwerk bauen, Zaehlwerk fuer Titel rendern, intromusik
20050928 1 h Zaehlwerkt animieren. Intromusik als längere Fassung
4 h Buero bauen, fahrt durch buero mit mock-einmarsch
1 h sad-theme komponieren
1 h fahrt durch buero, alle arbeiten an symbolen andeuten…


Auszug aus meiner Liste in der Endphase
20090201
0.25 h Ich reihte mic wieder ein, shadow maps erhöhen, neu rendern.
bringt nichts.
20090205
0.25 h Tipp aus Forum: Abs-Bias abschalten, das bringts.
20090206
1 h Festivalrecherche: Vorbereiten : Hamburg, Augsburg, CrankCookie (reelport)
1 h Feinarbeit am Schnitt, Farbkorrektur und Lautstaerke sprecher englisch
0.5 h Neu-Rendern aller 3 Fassungen.
Notieren von Fehler, die ich entdecke, weil ich ein paar Tage nicht
draufgeguckt habe!
20090208
0.25 h korrigiere deutschen abspann mit englischen untertiteln.
0.25 h h korrigiere Deutsch/englischen Abspann und synchronität

0.25 h “I Became one”: schatten flimmert links am arm, kann man das per
bias oder normalenvektor in den griff kriegen?
0.25 Upload bei Reelport für Crank-Cookie, dabe erfahre ich “nebenbei”, dass Trondheim wohl abgelehnt hat.
xx.xx – xx.xx Subtitles vor dem Spiegel nicht mehr lesbar, dicker umranden
xx.xx – xx.xx auspluggen: Bildschirm soll dunkel werden
1. Szene De-migrieren. – erledigt
2. Zeitpunkt des Auspluggens bestimmen
3. MonitorMedium mit motion herstellen, das beim Auspluggen den Schirm abschaltet
4. Szene neu rendern
5. Szene im Schnitt verwenden.

Wenn Sie mehr zur Liste und ihrer Benutzung lesen wollen, dann empfehle ich Ihnen das Buch “Der pragmatische Programmierer“. Mit der Liste zu arbeiten ist etwas ganz anderes, als Ihre Zeit mit einer Software zu erfassen und hinterher einzutragen, was Sie gemacht haben.

Was kann man an den Listenauszügen alles sehen?
Zum Beispiel, dass der Text in seiner ersten Fassung bereits im September 2005 gesprochen wurde. (Ich musste aufgrund von Auftragsarbeiten eine Pause bis 2008 einlegen, erst die Bankenkrise hat mir die Zeit verschafft, die ich brauchte. Ein “Glück” also, aber jetzt habe ich genug von der Bankenkrise…). Ich konnte dank der Liste problemlos eine lange Pause machen und dann die Arbeiten genau dort aufnehmen, wo ich sie unterbrochen hatte. (Das mache ich mit allen Projekten so, ob bezahlt oder unbezahlt.) Man kann auch sehen, dass ich in der Endphase fast nur mit Fehlerkorrekturen zu tun hatte. Und schauen Sie mal unten, da heißen Zeiteinträge “xx.xx – xx.xx”. Das sind noch nicht erledigte Aufgaben. Die kann man prima vor sich herschieben und umsortieren, bevor man sie erledigt – verstehen Sie, wie ich mit der Liste arbeite?

Übung

Arbeiten Sie ab jetzt immer mit der Liste!

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