Sie wissen nun schon ungefähr, was Ihr Film Sie an Zeit und Geld kosten wird. (Obwohl Sie noch kein Drehbuch haben, putzig, was?) Ebenso wissen Sie ungefähr, wann er fertig sein soll.
Ich weiß, es hat lange gedauert. Nun beginnen wir aber wirklich mit der Filmerstellung. Die erste Phase ist die Vorproduktion.
Vorproduktion
Ich werde Ihnen im Folgenden nahe legen, zuerst Ihren Film ganz kurz aufzuschreiben, ein paar Skizzen zu machen und erst danach das Drehbuch zu schreiben. Und dann erst ein Storyboard zu zeichen. Computermodelle sollten Sie noch viel später anfangen. Diese Reihenfolge ist aus Effizienzgründen die beste, jedenfalls wenn wir davon ausgehen, dass die Kurzfassung am wenigsten Zeit braucht, das Drehbuch dann schon mehr, das Storyboard noch mehr und am teuersten ist die Filmproduktion selbst. Gleichzeitig gibt es Risiken, solange die Geschichte nicht klar vor Ihnen liegt. Vor allem das Risiko, dass Sie gar keine gute Geschichte haben! Durch das Aufschreiben der Geschichte ziehen Sie dieses Hauptrisiko ganz nach vorn und überwinden es als Erstes mit vergleichsweise wenigen Stunden.
Kann man es auch anders machen?
Das meine ich aber nicht ganz so strikt. Diese Vorgehensweise ist zwar gut, geht aber nicht immer. Versuchen sollten Sie es ruhig mal in dieser Reihenfolge, wenn es aber nicht funktioniert, machen Sie es ruhig anders herum:
Erst ein paar Computermodelle, dann ein Drehbuch und dann Ihre Geschichte in wenigen kurzen Sätzen. Oder noch anders: Erst das Drehbuch, nur einige Fragmente, dann ein paar Skizzen, dann wieder Drehbuch und zwischendurch ein bisschen modellieren.
Warum kann man diese Tätigkeiten nicht immer so schön getrennt und in der vorgeschlagenen Reihenfolge durchführen?
Stellen Sie sich einmal vor, sie haben nicht viel Erfahrung mit der Erstellung von 3D-Computermodellen. Nun wollen Sie sich eine Figur ausdenken, sagen wir einen Frosch. Haben Sie Zweifel daran, dass Sie den Frosch werden modellieren können? Bekommen Sie einen “nassen” Look hin? Wenn Sie das nicht so genau wissen, dann ist es genau richtig, jetzt mal ein paar Stunden zu modellieren und dann erst etwas über den Frosch aufzuschreiben. Wenn ich hier schreibe “ein paar Stunden”, dann meine ich es auch so. Bitte fangen Sie jetzt nicht an, sich totzumodellieren – dazu haben Sie später noch genug Zeit, falls Sie sich entscheiden, den Film mit dem Frosch wirklich zu machen. Da sind wir aber noch nicht.
Genauso ist es mit der Kurzfassung Ihrer Geschichte: Sie müssen sie unbedingt herstellen, um sich selbst (und evtl. anderen) zu beweisen, dass Ihre Geschichte einen Kern hat. Aber vielleicht kennen Sie den Kern selbst noch nicht wirklich, sie fühlen nur, dass da einer ist? Dann schreiben Sie seelenruhig zunächst das Drehbuch zu Ende und analysieren Sie hinterher, worum es genau geht. Nachdem Sie etwas Abstand gewonnen haben. Wenn sie aber partout keine Kurzfassung von 5 bis 10 Sätzen aus Ihrem Drehbuch aufschreiben können, klingeln bei mir alle Alarmglocken: es ist dann vermutlich ein richtiger Mist. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Schreiben Sie ein neues Drehbuch oder ändern Sie das vorliegende. Schreiben ist ein komplizierter, oft iterativer Prozess. Darüber gibt es eine Menge Literatur, suchen Sie unter dem Stichwort “kreatives Schreiben”.
Erfahrung hilft bei der Einhaltung der Reihenfolge
Je mehr Erfahrung Sie in der Entwicklung von Geschichten haben, desto eher können Sie es “vorwärts” machen, weil Sie dann von vornherein die Kurzfassung “entwerfen” können. Als Neuling geht das vielleicht, vielleicht auch nicht.
Also, solange Sie an der Entwicklung der Geschichte arbeiten, nehmen Sie es mit der Reihenfolge der Arbeiten nicht so genau. Das soll aber nicht heißen, dass die folgenden Kapitel unnötig sind und übersprungen werden sollten. Sie lesen hier quasi nacheinander, was Sie dann auf Ihre eigene Weise, in Ihrer eigenen Reihenfolge umsetzen müssen.
Was, wenn es hakt?
Wenn Sie die Kurzfassung nicht hinbekommen: Schreiben Sie sie erst nach dem fertigen Drehbuch auf.
Wenn Sie das Drehbuch nicht hinbekommen: Sie haben die Kurzfassung, aber kein Drehbuch? Dann haben Sie Schwierigkeiten mit der Detailentwicklung und vielleicht auch mit der Erzählperspektive. Vielleicht ist Ihre Kurzfassung auch zu abstrakt, schreiben Sie sie neu, und zwar so, dass darin etwas Konkretes passiert! Lesen Sie das Kapitel “Ihre Idee skizzieren” noch einmal durch, dort zeige ich auf, was keine Filmideen sind. Vielleicht ist Ihr Problem aber auch die Charakter-Entwicklung: Viele Schriftsteller sind der Meinung, dass die Geschichten aus guten Charakterentwürfen “entspringen”. Vielleicht sollten Sie einmal “Wort für Wort” von Elizabeth George lesen? Ebenso ein Buch von Syd Field über das Schreiben eines Drehbuchs.
Wenn Sie das Drehbuch nicht hinbekommen und auch die Kurzfassung nicht, sind Sie vielleicht ein Mensch, der völlig in Bildern denkt? Nun gut, dann nehmen Sie Ihr fertiges Storyboard und überlegen Sie, wie Sie die Bilder in Worte fassen können. Geht nicht? Vielleicht ist Ihre Idee gar nicht narrativ? Vielleicht erzählen Sie keine Geschichte? Können Sie aus dem Storyboard ein Comic machen und aus dem Comic ein Drehbuch?
Übung
Lesen Sie alles, was Sie in die Finger kriegen über das kreative Schreiben. Lesen Sie ein Buch von Syd Field. Einige davon sind auch auf Deutsch übersetzt. Mr. Field veröffentlicht auch vieles auf seiner Website, so hat er einen interessanten Blog.In der kommenden Woche werden Sie selbst mit dem Schreiben beginnen. Es schadet nichts, wenn Sie schon mal ein bisschen drauflosschreiben. Falls Sie lieber bis dahin lesen, auch gut.
In diesem Zusammenhang vielleicht auch interessant:
“Die Odyssee des Drehbuchschreibers” von Christopher Vogler -
Über die mythologischen Grundmuster des amerikanischen Erfolgskinos. (Zweitausendeins Verlag)
Da geht es um “die Reise des Helden” als Aufbau-Modell, Archetypen und Dramaturgie.
Gruß,
Dietmar