Szene für Szene – ein endloser Loop

Ihre Arbeit an den Filmszenen läuft täglich fast identisch ab. Ich beschreibe hier mal meine Vorgehensweise. Sie werden sicher ein leicht abweichendes Vorgehen für sich etablieren.

1. Voraussetzung: Für Ruhe sorgen, wach sein, sich wohlfühlen. Alle wissen Bescheid, dass Sie jetzt keine Störungen brauchen können.
2a. Montieren: Das Rendering von gestern in den Film einarbeiten. Version mit dem Schnittprogramm berechnen, ansehen. Muss an der Szene von gestern noch etwas passieren? Das in der Liste notieren. Es muss nicht unbedingt nach oben.
2b. Betrachten: Den Film als Ganzes ansehen. Was stört jetzt am meisten? Das notieren und nach oben.
3. Priorisieren: Die Liste lesen. Was steht oben? Das ist vermutlich das Wichtigste. Ruhig die Punkte der Liste noch mal sortieren. Suchen Sie sich einen Punkt der Liste heraus, der weit oben steht, Ihnen aber heute auch liegt. Es nutzt nichts, wenn da “Licht für Szene 3″ steht, Sie aber heute partout keine Lust auf Licht haben. Dann machen Sie etwas anderes.
4. Task abarbeiten. Einen Punkt der Liste abarbeiten. Wenn Ihnen dabei weitere Arbeiten einfallen, einfach in der Liste notieren.
5. Rendern: Die neue Arbeit zum Rendern über Nacht starten, falls es länger dauert.
6. Rechtzeitig aufhören, damit Sie morgen auch noch Spaß daran haben.

Richtig, Sie schneiden die neu erzeugten Bilder einfach in Ihr Animatic hinein. (Ich nenne es nicht mehr Animatic, es ist jetzt einfach Ihr “Film”, der vor sich hinwächst.) Der Film wird dadurch immer perfekter, bis er schließlich gar keine Bilder des ursprünglichen Animatics zeigt.

Sie arbeiten also jeden Tag in diesem Loop:

Ergebnis in den Film einbauen
Betrachten
Priorisieren
Einen Task abarbeiten
Rendern

Es ist völlig egal, ob Sie mit dem Betrachten des Films anfangen oder mit dem Abarbeiten eines Tasks. Es ist nur so, dass das Rendern der täglichen Arbeit oft ganz schön dauert, daher ist das Starten des Renderns oft das Ende Ihre Tagewerks und das Einbauen des Ergebnisses dessen Beginn. Und dann betrachten Sie idealerweise das Gesamtwerk mit frischen Augen und schaffen die richtigen Prioritäten. Nie festfahren!
Sie werden das Gefühl haben, dass Sie nicht vorankommen. Keine Panik. Bewahren Sie die Versionen Ihres Films spätestens alle 50 Arbeitsstunden auf und betrachten Sie sie gelegentlich. Sie werden dann die Fortschritte gut sehen können und staunen. So können Sie sich auch selbst motivieren. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass andere das für Sie tun.

Wichtig! Beißen Sie sich nicht fest: Sie werden noch oft auf eine Szene zurückkommen. Stellen Sie sie erst mal her, notfalls mit schlechter Beleuchtung und rudimentärer Animation. Bauen Sie sie in den Film ein. Wenn Sie den gesamten Film ansehen, kann es sein, dass Sie entscheiden, das Gleiche bei einer anderen Szene zu machen. Besonders am Anfang würde ich Ihnen raten, von Szene zu Szene zu hüpfen und immer das zu bearbeiten, was Sie am meisten stört.

Woran sollen Sie arbeiten?

Wenn Sie Ihren Film ansehen, stellen Sie sich vor, Sie würden ihn morgen jemandem zeigen müssen. Was würden Sie gern noch ändern? Richtig! DAS stört Sie am meisten. Das bearbeiten Sie als nächstes!

Wann läuft es falsch? Wenn Sie zu lange an einer Szene arbeiten oder – schlimmer – an einem Detail einer Szene, dann machen Sie einen Fehler! Diese Zeit bekommen Sie nicht zurück! Sie können sich immer noch entscheiden, die Szene so zu ändern, dass das, was Sie nicht hinbekommen, rausfliegt oder in einer Weise gezeigt wird, die Ihnen weniger Arbeit macht.

Wann ist es zu viel Zeit?

Naja, machen Sie es doch so: Sie haben ein Stundenkontingent, sagen wir 500 Stunden. Sie haben eine Anzahl von Szenen, sagen wir 20 Szenen. Dann können Sie pro Szene ca. 25 Stunden investieren. Ziehen wir 5 Stunden ab für allgemeine Arbeiten wie Modellbau, Hintergrundarbeiten und anderes, was Sie für viele Szenen brauchen werden, dann bleiben 20 Stunden pro Szene, das sind ca. 10 Sitzungen à 2 Stunden.
Wenn Sie nun seit 10 Sitzungen (oder auch nur 5) am gleichen Detail der Szene arbeiten und “nicht vorankommen”, dann haben Sie sich festgebissen. Notieren Sie verschiedene Experimente, die Sie machen wollen, um das Problem zu lösen, priorisieren Sie sie niedriger, trennen Sie sie voneinander und denken Sie an einen alternativen Plan B für diese Szene. Die tiefere Priorität hat ihren Sinn, weil Dinge oft noch unwichtig werden oder herausfliegen oder am Ende doch gar nicht richtig im Bild zu sehen sein werden.

Ich hatte das Problem, ein Blatt Papier zu zerknüllen. Das sah unbefriedigend aus. Ich biss mich nicht fest, sondern notierte folgende Tasks:

xx.xx – xx.xx Teste Papierknuellen mit PLA
xx.xx – xx.xx Teste Papierknuellen mit Bones
xx.xx – xx.xx Teste Papierknuellen mit Cloth
xx.xx – xx.xx Teste Papierknuellen mit Deformern
xx.xx – xx.xx Welches ist die beste Methode fuer Papierknüllen? Animiere damit das Papierknüllen.

Diese Tasks habe ich nach unten hin in meinem Plan verteilt (Trennung), denn ich hatte keine Lust, mich jetzt eine Woche lang mit dem Knüllen von Papier zu befassen, mein Film sollte vorankommen. Schließlich fand ich heraus, dass Bones hier einen guten Dienst leisten und so habe ich es auch animiert.

So können Sie mit jeder Szene vorgehen, die irgendwie hartnäckig Probleme macht. Solche Probleme können sein: Beleuchtung ist unbefriedigend, Kameraeinstellung oder -fahrt ist unbefriedigend, eine Bewegung ist nicht überzeugend, ein Modell sieht nicht gut aus etc.

Sie arbeiten sich nun also Szene für Szene durch Ihren Film, aber jede Szene verlangt etwas anderes von Ihnen. Hören Sie darauf! Geben Sie Ihrem Film, was er verlangt! Er wird es Ihnen danken.

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